Feldkircher Literaturtage 2020: Revisited: Das Alphabet der Krise - Lydia Haider: Und wie wir hassen!

Samstag, 24. Oktober 2020 - 20:15

Frauen hassen nicht. Sie sind die „Besonnenen“, die „Diplomatischen“, während Männer die Domäne der Hetzrede für sich vereinnahmt haben. Nicht selten mit Frauen als Ziel. Frauen, die sich nicht in ihre Rolle einfügen, die laut, selbstbewusst und unbequem sind. Höchste Zeit, dem Machismus Paroli zu bieten! Lydia Haider hat 15 Autorinnen versammelt – Sibylle Berg, Stefanie Sargnagel, Raphaela Edelbauer u.v.m. –, die mit furiosen Hass- und Wutreden aufwarten: gegen das Patriarchat, gegen die politische Lage, einfach gegen alles! Dabei demontieren sie die Demagogen und Hetzredner unserer Zeit und entlarven die Dynamik des Hasses. Lydia Haider ist es gelungen, einen Band mit Texten zusammenzustellen, die so heterogen wie ihre Autorinnen sind, die von Wut und Verzweiflung erzählen, aber auch Mut machen, Dinge zu ändern und überkommene Strukturen zu hinterfragen. Ein Buch, das für Furore sorgen wird!

Lydia Haider, 1985 in Steyr geboren, lebt als freie Autorin in Wien. Studium der Germanistik und Philosophie, zwei Kinder. Diverse Stipendien und Preise, etwa Projektstipendium des Bundeskanzleramts Österreich, Talentförderpreis Land OÖ und Stipendiatin des Literarischen Colloquiums Berlin. Ihr Romandebüt „Kongregation“ erschien 2015 und war im Finale für den Alpha Literaturpreis 2016. Zuletzt erschienen: „Wahrlich fuck you du Sau, bist du komplett zugeschissen in deinem Leib drin oder: Zehrung Reiser Rosi“ (redelsteiner dahimène edition 2018) sowie „Am Ball. Wider erbliche Schwachsinnigkeit“ (redelsteiner dahimène edition 2019).

Anschließend Diskussion:
Das Alphabet der Krise
Spätestens in einer Krise zeigt sich, wie Sprache sich verschärft, Kommunikation eindimensionaler und Botschaften fordernder werden. Begriffe wie "Shutdown", "Hochfahren", „Risikogruppen“, „Ausgangssperre“, „Kontaktbeschränkung“, „Opferzahlen“, „Reproduktionszahl“, „Tracken“, „Triage“ ... gehören zum Diskurs der Bedrohung.
Wie geht es AutorInnen damit, die von Berufs wegen sensibel und wachsam mit Sprache und ihrer Komplexität umgehen und ihre Entwicklung und Indienstnahme kritisch beobachten?
Diskussionsleitung: Christian Zillner

Ilma Rakusa repräsentiert in besonderem Maße eine Sprachkünstlerin, die sich in ihrer poetischen „Lebensbeschreibung“ keiner Sprachdiktatur unterwirft, sondern im Gegenteil mit ihrem "Alphabet" ein überbordendes Sprachuniversum erzeugt.
Julya Rabinowichs Werk spürt den Beziehungen besonderer Menschen zur Mehrheitsgesellschaft literarisch nach und fasst die oft eingeforderte Anpassung in Worte. Sie beschäftigt sich mit Sprache als Instrument von Assimilationsdruck, Isolation und Ausgrenzung.
Die Autorin Lydia Haider analysiert die Sprache in ihrem gesellschaftspolitischen Kontext, instrumentalisiert sie in Kontexten von Wutrede und Hassparolen. Sie provoziert eine intensive Auseinandersetzung mit Sprache und Wirkung.