Tobias Schwartz präsentiert: Virgina Woolf: Roger Fry. Eine Biografie

In der Reihe „Biographie - erforschen, erinnern, erfinden?“

Sonntag, 14. Januar 2024 - 10:30

Virginia Woolfs letztes zu Lebzeiten veröffentlichtes Werk wurde bisher nie ins Deutsche übersetzt. Ihre 1940 erschienene Biografie des Londoner Malers und Kunstkritikers Roger Fry ist nicht nur ein herausragendes Lebensbild einer bedeutenden Schlüsselfigur der Kunstgeschichte, sondern zugleich ein aufschlussreicher Teil des literarischen Werks der Schriftstellerin Virginia Woolf. Mit „Roger Fry“ führt Virginia Woolf eindrücklich einen Epochenwandel vor Augen, der die bildende Kunst und die Literatur betraf, den Übergang von realistischer zu abstrakter Malerei, vom Realismus zur klassischen Moderne.
Und wie schon in ihren Essays verschmelzen in „Roger Fry“ Woolfs Fähigkeiten als Berichterstatterin und Literatin: Die Biografie liest sich wie ein Roman – natürlich mit dem charakteristischen, präzisen und humorvollen Virginia-Woolf-Ton. 

Virginia Woolf wurde 1882 in London geboren und bezog nach dem Tod der Eltern gemeinsam mit ihren Geschwistern 1905 ein Haus im Londoner Stadtteil Bloomsbury, wo sich aus Zusammenkünften im Freundes- und Bekanntenkreis in den Folgejahren die legendäre Bloomsbury Group entwickelte. Woolf schrieb zunächst für verschiedene Zeitungen und unterrichtete Englische Literatur und Geschichte am Londoner Morley College. 1912 heiratete sie Leonard Woolf, mit dem sie bis zu ihrem Tod zusammenlebte. Gemeinsam gründeten sie 1917 den Verlag The Hogarth Press. 1922 lernte sie Vita Sackville-West kennen, mit der sie später eine dreijährige Liebesbeziehung und eine lebenslange Freundschaft verbinden sollte. Virginia Woolf litt ihr Leben lang an wiederkehrenden schweren Depressionen, 1941 nahm sie sich das Leben.
1915 erschien ihr erster Roman, Die Fahrt hinaus (The Voyage Out). Es folgten zahlreiche weitere Romane, Erzählungen und Essays, darunter Mr Bennett and Mrs Brown, Zum Leuchtturm (To the Lighthouse), Mrs Dalloway (alle 1925), Orlando (1928), Ein eigenes Zimmer (A Room of One's Own) (1929), Die Jahre (The Years) (1937), Drei Guineen (Three Guineas) (1938) und Zwischen den Akten (Between The Acts) (1941).
Heute gilt sie als eine der bedeutendsten Autorinnen des 20. Jahrhunderts.

Tobias Schwartz, 1976 geboren in Osnabrück, ist Schriftsteller, Dramatiker und Übersetzer. 2007 erschien sein Roman Film B; seine Stücke wurden an verschiedenen deutschen Bühnen aufgeführt. Im AvivA Verlag veröffentlichte er Bloomsbury & Freshwater rund um die Aufführung des (darin enthaltenen und von ihm übersetzten) Virginia Woolf-Stückes Freshwater, übersetzte die Erzählungen und Stücke Shelagh Delaneys für die von ihm gemeinsam mit André Schwarck herausgegebene Werkausgabe A Taste of Honey, die 2020 auf die Hotlist der besten Titel aus unabhängigen Verlagen gewählt wurde, und ist Übersetzer und Herausgeber der Gedichte, Theaterstücke und Prosa von Aphra Behn, die im Oktober 2021 als zweibändige Ausgabe bei uns erschienen und für die HOTLIST 2022 nominiert sind. Sein jüngster Roman Morpho peleides ist im Sommer 2021 im Elfenbein Verlag erschienen.